Wir brauchen mehr Preisgerechtigkeit – ethische Kriterien sollten bei Arzneimittelbepreisung stärker im Vordergrund stehen

Im aktuellen Arzneimittelstreit des Pharmaunternehmens Octapharma mit dem Verband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sieht der grüne Gesundheitspolitiker Norbert Knopf MdL ein Paradebeispiel für die Diskrepanz zwischen Patientenbedürfnissen und Profitinteressen. Er fordert seitens der Politik mehr Regulation bei der Preisbildung für Arzneimittel.

Wiesloch/Stuttgart. Für Patienten mit seltenen Krankheiten und angeborenen Immundefekten brechen aktuell schwere Zeiten an – denn sie sind auf Präparate aus Immunglobulinen angewiesen, die aus menschlichem Blutplasma hergestellt werden. Und durch die Corona-Pandemie ist ein gravierender Einbruch bei den Blutplasmaspenden von rund 30 Prozent zu verzeichnen. Dies erschwert die Beschaffung von ausreichend Blutplasma für die produzierenden Pharmaunternehmen und hat Lieferengpässe zur Folge.

Lieferstopp für wichtiges Medikament

Im Sommer dieses Jahres verkündete der Schweizer Pharmahersteller Octapharma dann den Lieferstopp des für betroffene Patient*innen wichtigen Medikaments „Cutaquig“. Der Grund: Preisverhandlungen mit dem GKV.

„Die Lage für die Patient*innen hat sich damit zusehends verschlimmert“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Norbert Knopf. „Bisher gut auf eine subkutane Zuführung eingestellte Patienten müssen aufgrund der Versorgungslage nun auf intravenöse Alternativpräparate umstellen“, so der Gesundheitsexperte aus Baden-Württemberg weiter. 

Gesundheit als Druckmittel bei Verhandlungen

Auch Gabriele Gründl, Bundesvorsitzende des Verbands DSAI e.V., der Patientenorganisation für angeborene Immundefekte, sieht hier die Patientenbedürfnisse vernachlässigt. „Es kann nicht sein, dass ein Kostenstreit auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen wird“, so Gründl. 

Für Norbert Knopf zeigt dieser Fall exemplarisch, wie die Preisbildung bei Arzneimitteln nicht ablaufen sollte. „Die hier beteiligten Akteure haben gegenüber den Patient*innen eine hohe ethische Verantwortung. Zwangsläufige Abhängigkeitsstrukturen dürfen nicht in etwaige Verhandlungstaktiken aufgenommen werden, vor allem wenn es darum geht, den Preis für Arzneimittel zu erhöhen“, fordert Knopf.

Wege zur gerechten Preisbildung gefordert

Der Gesundheitsexperte verweist hier auf die sehr hohen Gewinnmargen der Pharmahersteller, die im pharmazeutischen Bereich deutlich höher als in anderen Bereichen seien und aus seiner Sicht reduziert werden sollten. 50 bis 66 Prozent der Forschungs- und Entwicklungskosten würden aus öffentlichen Geldern finanziert, sodass die Menschen in Deutschland quasi doppelt für ihre Medikamente aufkommen müssten, zitiert Knopf den aktuellen Infobrief des Deutschen Ethikrates. „In unserem solidarischen System in Deutschland zahlen wir zum einen über unsere Steuern und danach nochmal über teils überzogene Preise“, argumentiert der Politiker. Patentschutz sei richtig und wichtig, dürfe aber nicht dazu führen, dass hohe Preise durch Monopolstellungen durchgesetzt werden könnten. Hier müsse die Politik stärker regulierend eingreifen.

Es müsse aber auch gesichert sein, dass für langjährig erprobte Medikamente ein fairer Preis bezahlt werde und nicht durch wiederholtes „Preissenken“ die Produktion aus Europa abwandere, so der grüne Gesundheitsexperte. In jedem Fall müsse das Gesundheitsministerium und Minister Lauterbach in Berlin dafür Sorge tragen, dass die adäquate Versorgung der Patient*innen mit ihren Plasmapräparaten jederzeit ausreichend gesichert sei, fordert der Gesundheitspolitiker aus Baden-Württemberg.

Patientinnen und Patienten mit Problemen sind aufgerufen sich zu melden

Knopf hatte bereits auf politischem Wege versucht, auf die Sache aufmerksam zu machen. Das baden-württembergische Sozialministerium könne hier aber nur indirekt helfen durch eine Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Dies sei beispielsweise dann möglich, wenn sich Zwischenfälle durch die Umstellung auf intravenöse Alternativpräparate häufen sollten, so die Antwort des baden-württembergischen Sozialministeriums auf die Anfrage des Politikers.

Norbert Knopf ruft daher gemeinsam mit dem zuständigen Verband DSAI e.V. alle betroffenen Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Immunerkrankungen auf, sich bei gravierenden Umstellungsproblemen umgehend beim Verband DSAI e.V. unter 08074 81 64 (Mail: info@dsai.de) oder im Landtagsbüro von Norbert Knopf unter 0711 2063 63 02 (Mail: norbert.knopf@gruene.landtag-bw.de) zu melden.