Landtagsrede zum Organspende-Register

Artikel: Organspende-Ausweis: Sozialminister Lucha wirbt erneut für Widerspruchslösung – Staatsanzeiger BW

Videomitschnitt: Landtag Baden Württemberg – 20230201_sitzung056_2 (landtag-bw.de)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

Stellen Sie sich einmal vor:

Sie leiden an Muskelkrämpfen und Übelkeit. Die Symptome werden schlimmer und der Arzt kommt mit der Diagnose: Nierenversagen!

Nur eine Organspende kann Ihnen das gewohnte Leben wieder geben. Die Wartezeit auf eine Niere: 8-10 Jahre!

  • Was würde Ihnen durch den Kopf gehen?
  • Welche physischen und psychischen Leiden würden wohl auf Sie und Ihre Familie zukommen?
  • Wie groß kann angesichts der langen Wartelisten die Hoffnung sein, jemals wieder ein normales Leben zu führen?

In Deutschland warten rund 8500 Menschen auf ein lebenswichtiges Organ, jeden Tag kommen etwa 14 Menschen dazu:

  • 82% der Bundesbürger stehen der Organspende positiv gegenüber
  • Nur 39% der Deutschen besitzen einen Organspendeausweis
  • Hingegen wollen 98% der Deutschen im Notfall ein neues Organ für sich haben
  • Und täglich sterben 3 Menschen auf den langen Wartelisten, für die ein passender Spender zu spät gekommen ist.

Für viele Menschen im Land ist dieses Szenario leider bittere Realität, meine Damen und Herren!

Wir reden heute über den Stand der Umsetzung des geplanten Organspende-Online-Registers in Baden-Württemberg.

Welche Absichten liegen den geplanten Maßnahmen zu Grunde?

  • Künftig soll eine Erklärung zur Organspende in einem Online-Register möglich sein
  • Die Erklärung soll über die eID-Funktion des Personalausweises oder über die Krankenkassen-Apps der elektronischen Patientenakte erfolgen

Angesichts der gerade genannten Zahlen ist das geplante Register eine gute und wichtige Maßnahme.

Die geplanten Maßnahmen und deren Umsetzungen werden aber auch zurecht von der Landesregierung beanstandet. Ich teile hier die konstruktive Kritik des Landes an den Bund.

Denn die Organspende ist eine medizinisch komplexe Angelegenheit.

Damit die Menschen die richtige Entscheidung treffen können, bedarf es einer medizinischen Aufklärung.

Ob die Passbehörde im Land für diese fachfremde Aufgabe die richtige Behörde ist, oder ob qua Aufklärung die Verantwortung besser bei einer medizinischen Behörde/Institution liegt, muss in der Tat geklärt werden.

Denn die Zeit drängt. An jedem Tag, an dem wir dieses System nicht verbessern, kommen Menschen zu Schaden oder sterben.

Eine baldige Einigung seitens des Bundes mit den Ländern bei Kosten- und Zuständigkeitsfragen wäre also ebenfalls sehr wünschenswert.

Ferner ist es mit einem Register allein aber nicht getan. Die Angehörigen von Patienten, etwa bei einem Hirntod, entscheiden aus Sorge oder fehlender Aufklärung im Vorfeld zu oft gegen eine Spende – mit fatalen Folgen!

Weitere Überzeugungsarbeit bei den Menschen ist hier also weiter unabdingbar!

Denn Fakt ist leider auch, dass das bisherige System mit der Zustimmungslösung bei weitem nicht ausreicht. Denn das System muss nicht nur den Willen der Bevölkerung umsetzen, sondern es hat auch aus ethischen Erwägungen die Pflicht, betroffenen Menschen zu helfen, wenn geholfen werden kann. Da gibt es noch viele Möglichkeiten.

Konkret meine ich, dass all diejenigen, die spenden wollen, auch sichere Spender sein müssen.

Ich spreche mich an dieser Stelle daher für die Einführung der Widerspruchslösung aus!

Schweden, Kroatien, Spanien – hier hat die Widerspruchslösung zu einer Verdreifachung der Spenderorgane geführt. Deutschland hingegen liegt mit der Zustimmungslösung weit unter EU-Schnitt.

  • Wollen wir weiterhin das Leid der Menschen in Kauf nehmen?
  • Haben wir nicht die Pflicht uns auch als Individuum mit dem Thema zu beschäftigen?
  • Hat Kant nicht recht, wenn er sagt: „Das, was ich für mich selbst wünsche, muss ich auch bereit sein anderen zu geben?“

Als verantwortungsbewusster Gesundheitspolitiker unterstütze ich daher unseren Minister Manne Lucha und sage: Wir brauchen sowohl ein durchdachtes Online-Register als auch die Widerspruchslösung auf Bundesebene.

Vielen Dank!