Stuttgart/Wiesloch „Die Zeiten von Flickenteppichen und stummen Insellösungen sind vorbei. Wir benötigen die internationale Vernetzung medizinischer Daten, auch kompatibel eingebaut in die Krankenhausinformationssysteme (KIS) der Unikliniken“, fordert der Landtagsabgeordnete.
Historisch und technisch bedingt setzte bisher jedes (Uni-)Klinikum, jede Arztpraxis und jede Krankenkasse ein eigenes Datensystem um. Die Herstellerangebote zielten dabei auf eine dauerhafte Bindung des Kunden. Offene Schnittstellen zu Fremdsystemen blieben jedoch aus. Somit fehlt eine längst überfällige Langfrist-Daten-Strategie, die auf breiter Vernetzung basiert.
Denn eine hervorragende Patientenversorgung ist nur dann garantiert, wenn alle Akteure im Gesundheitswesen miteinander vernetzt sind. „Wenn Sie mich fragen, dann muss der Top-Diagnostiker des Uni-Klinikums Heidelberg genauso Daten-Zugang haben wie der Hausarzt in Flensburg. So stellt sich ein Mensch mit chronischer Erkrankung einen entspannten Urlaub vor“, ist sich Norbert Knopf sicher. Das heißt, dass Labore, Forschungseinrichtungen oder diagnostische Abteilungen sämtlicher Kliniken mit den Hausärzten, Krankenkassen und Gesundheitsämtern automatisch ihre Gesundheitsdaten austauschen – auch mit den KIS-Systemen der Uniklinika. „Unsere Universitätskliniken sind international vernetzt – warum deren Daten also noch nicht?“, fragt sich der Gesundheitsexperte.
Dazu kommt: Die Schaffung des Europäischen Gesundheitsdatenraumes bietet eine solche Architektur von miteinander interoperablen Informationssystemen. „Ein extremes aktuelles Beispiel ist das DIVI-Intensivregister, das bei aller begrüßenswerten Zielsetzung alle Krankenhäuser Deutschlands täglich (!) zu manuellen Eingaben zwingt, welche in den meisten KIS bereits vorhanden sind. Und das schon seit zwei Jahren. Das erzeugt viel Frust bei den Krankenhäusern, eine Vergeudung von wertvollen Zeitressourcen“, bedauert Knopf. „Wir können im Jahr 2022 niemandem mehr zumuten, dass Gesundheitsdaten in der Pandemie per Fax (sic!) an die Gesundheitsämter von Hand übertragen werden.“
„Das bedeutet nicht, dass wir die ,eine Lösung‘ finden müssen“, gibt der Landtagsabgeordnete zu bedenken. „Im Gegenteil, wir brauchen Gesundheitsdaten-Schnittstellen auf internationaler Ebene. Medizinische Daten verschiedener Herkunft und Anwendung müssen künftig vielmehr eine Sprache sprechen.“ Das heißt, dass sich Baden-Württemberg aktiv an der Schaffung und Gestaltung des Europäischen Datenraumes auf EU-Ebene beteiligen muss. Daraus ließe sich auch Profit ziehen, denn ein systematischer Austausch von Gesundheitsdaten, selbstverständlich bei Wahrung aller datenschutzrechtlichen Normen, kann allen viele Vorteile bieten:
Explodierende Kosten im Gesundheitswesen können durch Optimierung und Entscheidungsfindung gesenkt werden.
Die Datenlage, etwa in Form eines Impfregisters, kann helfen, Nebenwirkungen von Impfstoffen frühzeitig aufzuzeigen.
Durch eine digitalisierte Krankenakte können alle Befunde eines Patienten zusammengetragen, mit exakten Diagnosen frühzeitig erkannt und maßgeschneiderte Therapien durchgeführt werden.