Eine ausgewogene Ernährung ist unbestritten wichtig für unsere Gesundheit. Dennoch spielt die Ernährung der Patienten in deutschen Krankenhäusern eine eher untergeordnete Rolle – der Grüne Gesundheitspolitiker Norbert Knopf möchte mit seinem Besuch am UK-Tübingen den Fokus der Landespolitik auf das Thema lenken. Nach dem Gespräch ist für Norbert Knopf klar, dass er das Universitätsklinikum Tübingen als bundesweiter Vorreiter im Ernährungsmanagement auf politischer Ebene unterstützen wird.
„Leckeres und gesundes Essen und körperliches Wohlbefinden gehen für mich Hand in Hand. Das gilt insbesondere für kranke Menschen“, sagt der Landtagsabgeordnete Norbert Knopf. Doch dieser Aspekt findet bisher in unseren Krankenhäusern kaum Beachtung. Oft ist Mangelernährung die Folge. Erhält der Körper zu wenig Nährstoffe wie Proteine, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine oder Mineralstoffe, spricht man von einer Mangelernährung. Dass darunter in unserer Gesellschaft jede vierte Patientin bzw. jeder vierte Patient bei einer Einweisung ins Krankenhaus leidet, ist schwer vorstellbar. Für MdL Knopf ein nicht hinnehmbarer Zustand.
Gezieltes Screening soll optimale Ernährung während Klinikaufenthalt sichern
Risikogruppen für Mangelernährung sind vor allem onkologische, geriatrische oder chirurgische Patientinnen und Patienten – also jene, bei denen anzunehmen ist, dass sie während ihres Krankenhausaufenthaltes weiter an Gewicht verlieren werden. Das Universitätsklinikum Tübingen rückt die überraschend weit verbreitete Problematik in den Fokus und gründete bereits 2018 die Stabsstelle Ernährungsmanagement. Seitdem werden stationäre Patientinnen und Patienten in Fachgebieten mit einem erhöhten Mangelernährungsrisiko direkt bei ihrer Aufnahme mit Hilfe eines Screening-Bogens befragt. „Auf diese Weise bekommen wir erste Informationen zum Ernährungszustand“, erklärt Daniela Schweikert, Bereichsleiterin der Stabsstelle Ernährungsmanagement am Universitätsklinikum Tübingen. Neben Fragen zum Ernährungsverhalten spielt ebenfalls das Krankheitsbild und das Alter der Betroffenen eine große Rolle. Wird in diesem Mangelernährungscreening ein bestimmter Punktwert erreicht, erhält das Nutrition Support Team (NST) automatisch eine Anforderung und erstellt im Bedarfsfall ein abgestimmtes Ernährungsregime.
Der Grüne Gesundheitspolitiker sieht in der Ernährungsmedizin einen wichtigen Schlüssel für den Gesundungsprozess im Medizinalltag. „Jeder Patient sollte bei Krankenhausaufnahme einem solchen Ernährungs-Screening und bei Bedarf anschließendem Ernährungs-Assessment unterzogen werden“, fordert Norbert Knopf. Im Sport sei es beispielsweise heutzutage üblich, dass es auf die Sportart exakt abgestimmte Diäten zur gezielten Leistungssteigerung gebe, so seine Argumentation. „Warum wird dieser Ansatz nicht auch bei Krankheit angewendet?“, fragt Knopf.
„Vor allem, wenn dieser Patient betagt ist“, ergänzt Dr. Adolph vom Universitätsklinikum Tübingen. „Wir haben einerseits das Übergewichtsproblem, bei den Hochbetagten geht es dagegen bevorzugt um Appetitmangel, Muskelschwund, bzw. abnehmende Funktionalität, so. Dr. Adolph weiter.
Tübinger Projekt soll Kliniken für das Thema Mangelernährung sensibilisieren
Da die Prävention von Mangelernährung und Ernährungsmedizin insgesamt an deutschen Kliniken sehr Stiefmütterlich behandelt wird – mit den oben genannten Folgen – haben Professor Michael Bamberg, der Leitende Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Tübingen und PD Dr. Med. Michael Adolph. Ärztlicher Leiter der Stabsstelle Ernährungsmanagement in Tübingen bereits 2018 das Thema Mangelernährung dem baden-württembergischen Landtag vorgestellt. „Auf dieser Grundlage hat das Sozialministerium eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen und das Projekt Prävention und Therapie von Mangelernährung initiiert“, erklärt Dr. Med. Michael Adolph. Ziel des „Tübinger Modell“ ist, dass das Ernährungsmanagement auch auf andere Kliniken übertragen wird.
Krankenhausernährung ist auch eine Kostenfrage
Laut einer Auswertung des Deutschen Krankenhausinstituts gaben Kliniken 2018 gerade einmal 5 Euro für Lebensmittel aus – pro Patient und Tag. Um die Kosten gering zu halten, setzen viele Häuser auf Tiefkühlkost und Lieferungen aus Großküchen. Dass dabei nicht nur Geschmack und Ästhetik leiden, sondern eben auch Qualität und Nährstoffreichtum, dürfte auf der Hand liegen. „Leidtragende sind im schlimmsten Fall die Patienten“, erklärt Knopf, der aber gerade im System der Fallpauschalen hier Potenziale sieht. „Die DRG´s, also die Fallpauschalen, bilden die Ist-Kosten der Krankenhäuser ab. Das bedeutet, wenn jedes Krankenhaus 20 Euro pro Essen ausgeben würde, dann wären auch 20 Euro in der Fallpauschale entsprechend vorgesehen. Das Problem ist, dass die Krankenhäuser oft meinen, beim Essen sparen zu können, obwohl gute Ernährungsmedizin auch Kosten einspart“, argumentiert Knopf. Die Bedeutung des Essens auf die Genesung werde oft nicht klar erkannt, ergänzt der Gesundheitspolitiker, der vor seinem Landtagsmandat 26 Jahre bei der AOK in leitender Funktion war.
Knopf möchte sich daher neben dem aktuellen Forschungsstand zum Thema Mangelernährung auch über die Frage der praktischen Umsetzung bei seinem Besuch in Tübingen informieren. Konkret etwa, inwiefern die Möglichkeit eines Qualitätssicherungsvertrages bzw. Finanzierung einer solchen Leistung aussehen könnte. Der Abgeordnete verweist hier auf den Gemeinsamen Bundesausschuss, kurz G-BA, der Grundsatzentscheidungen für Leistungen der GKV trifft und im Juli dieses Jahres eine entsprechende Verordnung erlassen hat. „Diese Verordnung dürfte Vertragsschließungen von Kliniken mit den Krankenkassen im Leistungsspektrum Ernährung zulassen“, führt Knopf aus und sucht hier auch Gespräche mit den Kassenvertretern.
Denn die Praxis zeigt: Patientinnen und Patienten befürworten Ernährungsmanagement und es gibt hierfür bereits eine Förderung durch die Landesregierung. Unter dem Dach des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg fördert das Sozialministerium das Projekt mit rund 270.000 Euro.
Getreu dem Motto des Philosophen Hippokrates: „Eure Nahrung sei eure Medizin“, möchte auch Norbert Knopf die Ernährungsmedizin ausbauen, um die Patientinnen und Patienten in der Fläche besser versorgen zu können. Nach dem Gespräch ist für Norbert Knopf klar, dass er das Universitätsklinikum Tübingen als bundesweiter Vorreiter im Ernährungsmanagement auf politischer Ebene unterstützen wird.