Schuldenbremse: Die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2024 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse hat die Diskussion der letzten Wochen beherrscht. Ich halte das Urteil aus mehreren Gründen für bedenklich.
Es ist das erste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse. Davor war nicht klar, wie das Gericht die Regelung auslegt. In der Diskussion gab es mehrere Möglichkeiten, wie sich das Gericht entscheiden kann. Bei Erstentscheidungen ist es in der Regel so, dass das Gericht die Praxis der Rechtsauslegung für die Zukunft bestimmt, da es ja zuvor mehrere Meinungen gab. Das Gericht hat aber die Praxis für die Vergangenheit geändert. Somit sind rund 60 Mrd. € des Klimatransformationsfonds die Rechtsgrundlage entzogen worden. Das Gericht hätte aber auch die Neubewertung für die Zukunft erst verlangen und die alte Rechtsgrundlage belassen können. Zumal es im Urteil betont, dass die 60 Mrd. € mit einer anderen Grundlage (Erklärung der Notlage) rechtens begründbar sind (Begründung durch Prof. Fisahn). Somit wäre es das einfachste für die Bundesregierung gewesen, wenn sie die 60 Mrd. € über die Erklärung der Notlage in den Jahren 2023 und 2024 für den Haushalt gesichert hätte. Diesen Weg hat Schleswig-Holstein beschritten.
Die Parteien der Ampel haben sich aber nicht auf diesen Weg einigen können. Das ist leider in der Politik ein häufiges Phänomen. Gibt es eine Möglichkeit, einen Kompromiss neu zu bewerten, dann nutzt das jede Partei, um ihre ursprünglichen Forderungen erneut anzubringen. So ist es auch hier geschehen. Die FDP hat ihre Chance gewittert, die Schuldenbremse wenigstens für 2024 zu retten und zu sparen. Die SPD hat nur auf Arbeitsplätze und gekürzte soziale Sicherung bestanden und wir Grünen haben die Gelegenheit genutzt, um ein paar klimaschädliche Subventionen abzubauen.
Insgesamt bewerte ich das Ergebnis als katastrophal. Wir befinden uns in einer Rezession. Mit den Gesetzesänderungen zum 1.1.2024 werden der Wirtschaft auf der Nachfrageseite über 20 Mrd. € entzogen. Zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise sollte man jedoch das Gegenteil tun: Mehr Geld für den Konsum zur Verfügung zu stellen, idealerweise für den Konsum klimafreundlicher Produkte. Somit müssen wir uns auch 2024 auf eine schrumpfende Wirtschaft einstellen. Dies verlangsamt auch den Kampf gegen den Klimawandel. Verstärkt wird dieser Trend noch durch die unangebrachte Hochzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die weiter die Wirtschaft schwächen wird, auch wenn die Inflation nicht mehr zu erkennen ist.
Ein weiterer Aspekt des Urteils ist jedoch noch bedenklicher. Das Verfassungsgericht hat auch einige Sätze zu Jährig- und Jährlichkeit der Sondervermögen von sich gegeben, obwohl dies nicht nötig gewesen wäre. Nach Vorstellungen des Gerichts darf der Gesetzgeber nur jährlich so viel Geld für eine Notlage aufnehmen, wie auch in dem Jahr ausgegeben werden kann.
Das ist haushalterischer Unsinn und auch im Grundgesetz so nicht vorgesehen (Haushalte können für „ein oder mehrere Jahre“ aufgestellt werden nach Art. 110 GG). Früher war das unter dem Begriff „Novemberfieber“ bekannt. Es musste noch im November alles mögliche bestellt werden, damit das Geld auch bis Ende Dezember des Jahres ausgegeben ist. Die Politik hat dafür viel Spott geerntet und reagiert. Es ist nun möglich, Geld über den Jahreswechsel anzusparen und erst im nächten Jahr auszugeben.
Aber allein schon die Vorstellung, dass ein Hochwasser im November auftritt, zeigt den Unsinn der juristischen Auslegung. Ich muss einen Notplan für November und Dezember erstellen, um Nothilfen vergeben zu können, und im Januar geht es von vorne los, und ich muss dann auch noch wissen, wieviel Geld ich dann im ganzen Jahr verbauen kann. Und das Spiel geht dann im übernächsten Jahr weiter. Das Ahrtalhochwasser hat doch gezeigt, dass man für die Reparatur der Schäden mehrere Jahre braucht. Nun kann die Politik keine Zusagen mehr über Jahre machen, weil dies rechtswidrig sein soll.
Diese Auslegung des Urteils betrifft nun auch das Land. Wir lassen gerade prüfen, inwieweit unsere größeren Projekte nun neu gestückelt werden müssen. Mit den Corona-Mitteln haben wir ja zum Beispiel die Förderung der Lernhilfen für Schüler in einem Betrag genehmigt und dann über mehrere Jahre flexibel verteilt. Dies könnte nun vielleicht nicht mehr möglich sein. Ich freue mich schon auf diese neue Bürokratie, die wir damit schaffen werden. Wer sich für eine Bewertung des Urteils interessiert, sei auf eine Veranstaltung mit Prof. Thiele verwiesen. Er hat die Bundesregierung in diesem Streit vertreten.
Schulsozialarbeit: Viel gelernt über Förderprogramme und Bürokratie habe ich in den letzten Wochen an diesem Thema. Im Finanzausschuss bin ich intern zuständig für die Denkschriften des Rechnungshofes im Bereich des Sozialministeriums.
Der Landesrechnungshof hat sich in seiner Denkschrift 2023 im Beitrag Nr. 14 „Jugendsozialarbeit an öffentlichen Schulen“ mit der Schulsozialarbeit auseinandergesetzt. Seit 2012 wird Schulsozialarbeit an allen öffentlichen Schulen gefördert. Ziel ist es, dass in allen Schulen Schulsozialarbeit angeboten werden kann. Das Förderprogramm ist jedoch eine Freiwilligkeitsleistung des Landes, denn eigentlich zuständig für die Schulsozialarbeit sind die (kommunalen) Schulträger in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Durch das Förderprogramm wollen wir nun eine flächendeckende Versorgung der Schulen erreichen.
Leider steht das so explizit nicht als Ziel im Förderprogramm drin. Das Förderprogramm hat aber dies schon sehr gut bewirkt, denn Baden-Württemberg steht beim Ausbau der Schulsozialarbeit ganz weit vorne im bundesweiten Ranking. Da aber Freiwilligkeitsleistungen, wie der Name schon ausdrückt, keinen Rechtsanspruch begründen, moniert der Rechnungshof, dass es keine Regelung gibt, wie man die Mittel verteilt, wenn es mehr Anträge als Mittel gibt.
Weiterhin schreibt die Landeshaushaltsordnung vor, dass jedes Förderprogramm ein Ziel haben muss, dieses überprüft und ggf. angepasst werden muss und dass dies das Land eigenständig machen muss. Das leistet das Förderprogramm aktuell nicht. Jedoch stellt sich mir die Frage, warum das Land eine eigenständige Kontrolle für ein Zuschussprogramm aufbauen soll, wenn es schon eine Stelle gibt, die das macht. Die Daten zur Schulsozialarbeit liegen den Jugendämtern vor, da jeder Schulsozialarbeiter eine Statistik zu seiner Arbeit mit ca. 50 Punkten jährlich führen muss. Diese Daten werden auch ausgewertet.
Das Land fördert eine Stelle auch nur zu 25 Prozent. Daher halte ich eine eigenständige umfassende Kontrolle des Förderprogramms für unnötige Bürokratie, die man sich sparen sollte. In der Dezembersitzung des Finanzausschusses hat es leider noch nicht zu einer Einigung gereicht und somit steht das Thema im Januar wieder auf der Tagesordnung. Ich hoffe, dass wir bis dahin eine Lösung finden, die ohne weiteren Bürokratieaufbau auskommt und im Rahmen der Landeshaushaltsordnung akzeptabel ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass ich in den anderen Punkten (z.B. digitale Abwicklung des Förderprogramms) mit dem Rechnungshof übereinstimme. Über die weitere Entwicklung des Themas halte ich Euch im Newsletter auf dem Laufenden.