Am 4.-5. Juli 2022 durfte ich als Mitglied im Arbeitskreis Soziales der Grünen Fraktion meine Kolleg*innen als Gastgeber im schönen Wiesloch empfangen. Der Hintergrund dieser Veranstaltung war, dass pro Legislaturperiode jede/jeder Abgeordnete eine Klausur in seinem Wahlkreis ausrichtet. Diesmal war ich an der Reihe.
Nachdem wir uns um 9:30 Uhr am Wieslocher Bahnhof eingefunden hatten, besuchten wir als erstes das Psychologische Zentrum Nordbaden, kurz PZN, in Wiesloch. Wie viele andere solcher Einrichtungen wurde auch das PZN um 1900 als sogenanntes „Tollhaus“ gegründet. Heute ist es mit 1840 Mitarbeitern und rund 1000 Betten, verteilt auf insgesamt 77 Gebäude, die größte Einrichtung dieser Art in Baden-Württemberg.
Wie in vielen anderen Einrichtungen im Gesundheitswesen stellt der Personalmangel auch für das PZN eine große Herausforderung dar. Hinzu kommt noch, dass Notfälle mittlerweile rund 40% der Patienten ausmachen. Wie in vielen anderen Bereichen des Gesundheitswesens soll eine gestärkte Ambulanz diese Notsituationen abfangen. Neben der Frage des Personalmangels und der Ambulantisierung wurde auf unserer Klausur ein mögliches Regionalbudget diskutiert, das Einrichtungen wie dem PZN seitens der Kostenträger eine flexiblere Patientenbehandlung ermöglichen würde.
Als Klinik für Suchttherapie spielte die angestrebte Cannabis-Legalisierung ebenfalls eine Rolle. Bei einer regulierten Abgabe geht es beispielsweise um die Frage, in welcher Konzentration THC enthalten sein soll. Das Thema Drug Checking spielt dabei eine entscheidende Rolle, wie Suchtmediziner Dr. Link eindrücklich erläuterte.
Nach einem deftigen Mittagessen in der Alten Schuhfabrik, deren Produkte früher im Volksmund „Die Schlappezwick“ genannt wurden, fanden wir uns im schönen Winzerhof in Rauenberg zu unserer ersten Tagungsrunde ein. Es ging um wichtige sozialpolitische Themen wie etwa die Weiterentwicklung des Chancengleichheitsgesetzes, die Frauenhausfinanzierung oder die Versorgungssituation bei Schwangerschaftsabbrüchen. Auch die Hausspitze des Sozialministeriums mit Minister Manne Lucha und Staatsekretärin Dr. Ute Leidig war vor Ort. Im Minister-Teil ab 16:30 Uhr wurde vor allem die nicht einfache Haushaltslage für den Haushalt 2023/2024 vorgestellt und besprochen.
Ich habe mich an dieser Stelle für ein Sondervermögen für den Sozialhaushalt in BaWü ausgesprochen, nach dem Vorbild auf Bundesebene. Ich sehe gerade jetzt im Ausklang der Pandemie und mitten in der Energiekrise, verursacht durch den Ukraine-Krieg, den sozialen Frieden auch in unserem Land als gefährdet an und spreche mich daher für ein einmaliges Sondervermögen aus. Die Gestaltung des anstehenden Doppelhaushalts wird jedenfalls noch sehr spannend werden.
Nach einer sehr ertragreichen ersten Tagungsrunde sind wir, zumindest vorübergehend, zum gemütlichen Teil mit gemeinsamen Abendessen übergegangen. Das Essen und die Bewirtung im Winzerhof waren hervorragend und ich kann dieses Haus auch nur auf das Wärmste weiterempfehlen. Vorübergehend deshalb, da wir im Anschluss an das gemeinsame Abendessen direkt zu unserer Abendveranstaltung übergangen sind.
Ein bedeutendes politisches Projekt ist die Einrichtung der Pflegekammer für Baden-Württemberg. Diese soll ab 2023 zur Stärkung der Angestellten im Pflegebereich eingerichtet werden. Die Diskussionsrunde haben wir bewusst offen und auch mit Gästen gestaltet, die gegen die Einrichtung einer solchen Kammer für Pflegefachkräfte sind. Dieses fruchtbare Symposium unter freiem Himmel bei einem Glas Wein hat anschaulich die jeweiligen Argumente zu Tage befördert. Maßgeblichen Anteil daran hatte auch das Impulsreferat von Herrn Markus Mai, Präsident der Pflegekammer in Rheinland-Pfalz. Einen herzlichen Dank an Herrn Mai an dieser Stelle.
Nach einem ausgewogenen Frühstück sind wir am Dienstag pünktlich um 9:00 Uhr zu unserer zweiten Tagungsrunde gestartet. Hier wurde erneut um den Doppelhaushalt 2023/24 gerungen, über das Klimaschutzgesetz debattiert, sowie über weitere wichtige Themen wie die Jugendbeteiligung gesprochen.
Nach einem leichten Buffet am Dienstagmittag wurde der Arbeitskreis Soziales zur letzten Veranstaltung der Klausur nach Heidelberg zum dortigen Universitätsklinikum eingeladen. Die wissenschaftliche Arbeitsgruppe rund um Prof. Dr. Bozorgmehr beschäftigt sich im Rahmen der Health Equity Studies & Migration dort insbesondere mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für Asylsuchende. Prof. Dr. Bozorgmehr hat uns hier eine hervorragende Zusammenfassung der wissenschaftlichen Evidenz vorgestellt. Die Erleichterung administrativer Prozesse, der positivere Einfluss auf die psychische Gesundheit der Asylsuchenden, sowie einer Widerlegung der landläufigen Meinung, die eGK verursache höhere Kosten im Gesundheitssystem, haben mich in meiner Position für die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte bestätigt.
Direkt im Anschluss haben wir gemeinsam das Ankunftszentrum des Landes im Patrick-Henry-Village besucht. Das Land Baden-Württemberg hat auf der ehemaligen US-Militärfläche ein Ankunftszentrum für Flüchtlinge eingerichtet. Hier sind diese in der Regel für einen kurzen Zeitraum durch das Land Baden-Württemberg untergebracht. Es können bis zu 600 Flüchtlinge täglich registriert und gesundheitlich untersucht werden. Außerdem stellen sie vor Ort bei Mitarbeiter*innen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihren Asylantrag. Danach werden die Flüchtlinge auf die Stadt- und Landkreise verteilt. Ich bedanke mich bei allen Teilnehmer*innen, Referenten und genannten lokalen Gastronomien für eine sowohl sehr arbeits- und erkenntnisreiche, als auch sehr angenehme Klausur.